Hermann Becker genannt Pistorius (1542-1592), ein Dörpener in Dänemark

(Bernd Josef Jansen)

In der St. Marienkirche in Dänischen Helsingör hängt ein Gemälde aus dem Jahre 1645, das den ehemaligen Pfarrer dieser Kirche, Magister Hermann Becker genannt Pistorius zeigt. Das Bild ist 192 x 100 cm groß und wurde 1645 von Caspar Kegelhoff Keilhau gemalt, dem Hofmaler von König Christian IV. von Dänemark. Es beruht auf einer älteren Vorlage und ist unten rechts mit "Pinxit C. Keilhau" signiert. Das Bild zeigt einen spitzbärtigen Mann in den mittleren Jahren. Bekleidet ist er mit einem schwarzen Gelehrtentalar mit weißer Halskrause. Rechts neben ihm steht ein hölzerner Tisch oder Altar mit Tischtuch, auf dem ein mit rotem Samt bezogenes Buch sowie ein Totenschädel liegen. Auf dem Schädel steht ein fast abgelaufenes Stundenglas, auf das sich seine rechte Hand stützt. Das Bild trägt die Inschrift:  

M. Hermannus Pistorius Torpensis Westphalus

Pastor Regius Isque Anno Novem Qui Obiit 1592 

Verbum Dei Praedicavit Ecclesiae Aulicae et Urbicae 

  Natus 1542 Pictus ex Archetypo Anno 1645 

Sumptibus Dn. Successoris

 

„M[agister] Hermann Pistorius aus Dörpen in Westfalen, königlicher Pfarrer, und zwar neun Jahre, welcher starb 1592, er predigte das Wort Gottes in der Kirche, am Fürstenhof und in der Welt. Geboren 1542. Gemalt 1645 nach einem alten Vorbild, auf Kosten seines Herrn Nachfolgers.“

Hermann Becker wurde demnach 1542 geboren. Sein Vater war wohl jener Hermann Becker, der zwischen 1566 und 1594 als Prädikant (evangelischer Pfarrer) in Dörpen nachweisbar ist, seine Mutter hieß dann Gebbeke. Hermann hatte eine Schwester namens Grete und mindestens zwei Brüder: Bruen (Bruno) und Mencke. Seinen Nachnamen "Becker" hat Hermann, wie es unter Gelehrten damals üblich war, zu "Pistorius" latinisiert. "Pistor" ist das lateinische Wort für "Bäcker". Über Hermanns Kindheit und Jugend ist nichts bekannt. Zuerst in Erscheinung tritt er 1568, als er als "Hermannus Pistorius Dorpensis" im Mai 1568 als Student an der Philosophischen Fakultät der Universität Rostock eingeschrieben wurde:  

Am 10. März 1573 wurde "Hermannus Pistorius Dorpensis Westphalus" zum Bakkalar und Magister promoviert, hatte also sein Studium erfolgreich abgeschlossen. Noch im gleichen Jahr erhielt er die Stelle des Zweiten Schlosspriesters und Rektors der "Johanneum" genannten Schule in der nordschleswigschen Residenzstadt Haderslev (deutsch: Hadersleben). Diese Stellung behielt er bis 1584. Noch in Haderslev heiratete er vor 1578 seine Frau Margarethe Jacobsdatter von Sivullens, über deren Herkunft nichts bekannt ist. 

Hermann Becker gen. Pistorius (1542-1592)
Hermann Becker gen. Pistorius (1542-1592)

1584 wurde Hermann zum Pfarrer der St. Marien-Kirche im dänischen Helsingör berufen. Gleichzeitig war er hier Schlosspriester von Schloss Kronborg. Die Marienkirche war die ehemalige Abteikirche des Karmeliterordens. Nachdem das Kloster 1536 im Zuge der Reformation aufgehoben und in ein Hospital umgewandelt worden war, stand sie leer und sollte schließlich abgerissen werden. Als Hansestadt hatte Helsingör eine starke Deutsche Gemeinde. Diese erbat sich nun die Kirche von dem selber deutschstämmigen König Friedrich II. und bekam sie 1576 von ihm zum Geschenk. Erster Pfarrer der von Deutschen und Niederländern besuchten Kirche wurde Hermann Maltzan, ihm folgte 1584 Herman Becker.

Am 16. September 1592 starb Hermann Becker genannt Pistorius im Alter von nur 50 Jahren und wurde in der Marienkirche begraben. Vielleicht starb er an einer ansteckenden Krankheit, denn nur drei Wochen später folgte ihm seine 14jährige Tochter Abigael ins Grab, und fünf Wochen später sein 10jähriger Sohn Bruno. Neben Abigael und Bruno hatte Hermann Pistorius noch vier weitere Söhne Antonius, Povil (Paul), Christian und Hermann und eine Tochter Katharina. Hermanns Witwe  Margaretha wurde von seinem Amtsnachfolger, dem 1567 in Wittenberg geborenen Augustinus Sand geheiratet. Dies war damals übliche Praxis und hatte für beide Seiten seine Vorteile. Die Witwe wurde finanziell abgesichert und der Nachfolger erhielt einen bereits fertig möblierten Haushalt und eine Gattin, die mit den Arbeitsabläufen eines Pfarrhauses vertraut war.  

Grabstein Marienkirche Helsingör
Grabstein Marienkirche Helsingör

Augustinus Sand war es dann auch, der Hermann Becker einen Grabstein stiftete. Dieser trägt eine lateinische Inschrift:

Hermannus Pistorius vir pius et bonus religionis virtutum doctrinæque studiis probe excultus scholæ Haderslebianæ per XI. annos rector diligentiss. dein huius Germanicæ ecclesiæ per IX. ann pastor fideliss. lætus spe melioris vitæ his ærumnis excessit XVI. septemb. anno Chr. MDXCII ætat. L. quem indolis formæque elegantissimæ filia Abigael tertia septimana anno æt. XIV optimique ingenii filiolus Bruno quinta septimana æt. an. X subsequebantur.

Herman Pistorius, ein frommer und guter Mann, hoch gebildet durch Studium der Religion, Tugend und Gelehrsamkeit, 11 Jahre lang ein sorgfältiger Rektor der Schule in Hadersleben, dann 9 Jahre lang treuer Pfarrer dieser deutschen Kirche. Fröhlich in der Hoffnung auf ein besseres Leben, verließ er dieses Jammertal am 16. September im Jahr Christi 1592 im Alter von 50 Jahren. Ihm folgten in der dritten Woche seine Tochter von außergewöhnlicher Schönheit Abigael, ihres Alters 14 Jahre, sowie in der fünften Woche sein hervorragend begabter Sohn Bruno im Alter von 10 Jahren.

Margarethe Jacobsdatter von Sivullens starb am am 28. August 1611. Ihr Mann Augustinus Sand heiratete 1614 Anna Rhuman (* 1567 + 10.12.1648), die Tochter des Königlichen Hofschneiders und Verwalters der Kleiderkammer Hans Rhuman. Er blieb noch bis 1624 Pfarrer in St. Marien und Schlosspriester in Kronborg, zog dann aber nach Roskilde, wo er seit 1624 Kanoniker war. Am 31. Dezember 1649 starb er dort hochgeachtet als Königlicher Hofprediger und Vertrauter von König Christian IV. von Dänemark. Augustinus und seine Frau Anna sind im Dom von Roskilde unter einem prächtigen Epitaph beerdigt.  Auf Kosten von Augustinus Sand wurde 1645 auch das oben genannte Gemälde von Hermann Pistorius gemalt. Da es auf einer älteren Vorlage beruht, wird Hermann auch tatsächlich so ausgesehen haben. Somit dürfte es das älteste realistische Bild eines Dörpeners sein, das es weltweit gibt.

Hermann Becker genannt Pistorius ist der Bruder meines Vorfahren Bruno Becker:

Hermann Becker ca 1515-nach 1594
& Gebbeke N †nach 1568
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Bruen Becker ca 1540-nach 1606   Hermann Becker genannt Pistorius 1542-1592
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Hermann Bruns ca 1575-nach 1631    
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Johann Bruns ca 1605-1679    
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Sigbert Bruns 1650-nach 1703    
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Johann Sivert Bruns 1677-nach 1709    
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Bernd Bruns 1709-nach 1734    
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Catharina Margaretha Bruns 1734-nach 1765    
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Anna Helena Schnieders 1765-1830    
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Theodor Schröder 1793-1855    
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Conrad Schröder 1840-1887    
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Margaretha Schröder 1882-1945    
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Katharina Anna Albers 1919-2004    
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Frieda Philipps 1939    
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Bernd Josef Jansen 1969