Dorothea Becker - Die "Hexe von Bilstein"

Unter den Vorfahren meines Großvaters Josef Philipps aus Essen befindet sich Dorothea Becker, die als angebliche Hexe Geschichte geschrieben hat. Über ihr bewegtes Leben hat ihr Nachkomme Günther Becker 1998 für das Buch „Lebens­bilder von Frauen im Kreis Olpe“ einen Artikel verfasst, der hier folgt.

Dorothea Becker, die Richtersche genannt (um 1537 – 1609)

Leidensjahre einer standhaften Frau in der Zeit der Hexenverfolgungen des 16. Jahrhunderts

Der Paderborner Historiker Rainer Decker hat das Herzogtum Westfalen, eine Hoch­burg der Hexenprozesse“ genannt. Nur in wenigen deutschen Landschaften hat es in der frühen Neu­zeit so viele Hexenverfolgungen gegeben wie in diesem südwestfälischen Territorium der Erzbischöfe und Kurfürsten von Köln, das neben dem noch heute als kurkölnisches Sauerland bezeichneten Teil des Sauerlandes auch Teile des Hellweggebietes um Wert, Erwitte und Ge­seke umschloß. Wie von einer Epide­mie wurde die Landesbewohner im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts und im 17. Jahrhundert immer wieder von neuen Ausbrüchen einer panischen Hexenangst er­fasst. Rätselhaft bleiben Vorgänge wie Viehsterben, Missernten, Unwetter, Krankheiten und plötzlichen Tod glaubten viele nur als ein Werk von Hexen und Zauberern erklären zu können, die sich mit dem Teufel verbündet hatten und mit zauberischen Mitteln Schaden und Unheil stifteten. Wer sich nach gerichtlichem Urteil der Zauberei schuldig ge­macht hatte, den erwartete die dafür in Artikel 109 der Peinlichen Ge­richtsordnung Kaiser Karl V von 1532 bestimmte Strafe: „Item so jemand den Leuten durch Zauberei Schaden oder Nachteil zufügt, soll man strafen vom Leben zum Tod, und man soll solche Straf mit dem Feuer tun. Wo aber jemand Zauberei gebraucht und damit niemand Schaden getan hat, soll sonst gestraft werden nach Gelegenheit der Sach…“

Im damaligen Amt Bilstein, das mit dem Amt Waldenburg den südlichen Teil des Herzog­tums Westfalen bildete, gab es eine erste Welle von Hexenprozessen in den Jahren 1590 bis 1603. Während der Amtszeit des Drosten Caspar von Fürstenberg (1567 – 1618), der von seinem Vater die Verwaltung der kurkölnischen Ämter Bilstein und Waldenburg übernommen hatte und 1585 auch in den Pfandbesitz des Amtes Fredeburg eintrat. Die zweite Welle fällt in die Jahre 1629/30, als sein Sohn Friedrich von Fürstenberg das Drostenamt  über die drei Ämter bekleidete.

In der Zeit von 1573 bis 1630 wurden am kurkölnischen Gerichtshof Bilstein wegen Zauberei oder Hexerei nachweislich mindestens 133 Personen angeklagt, darunter 78 Frauen. Nach vorliegenden Quellen endete der Prozeß für 51 Frauen und 38 Männer mit dem Tode. Sie wurden hingerichtet, meistens auf dem Scheiterhaufen verbrannt, oder verstarben in der Haft. 7 Frauen und 6 Männer wurden freigelassen. In 31 Fällen ist der Prozessausgang unklar.

Dorothea Becker – Herkunft und Familie

Weder Stand noch Ansehen der Person konnten davor bewahren, von irgendjemand der Zau­berei bezichtigt zu werden. Wurden in einem Prozeß erst einmal die Folter­werkzeuge einge­setzt, um ein Geständnis zu erhalten, besaßen nur noch wenige die Kraft, auch weiterhin ihre Unschuld zu beteuern. Zu den ganz wenigen, die standhaft blieben, alle Torturen ertrugen, ohne zu bekennen, gehörte Dorothea Becker, die mit dem Bilsteiner Richter Franz von der Hardt verheiratet war und deshalb allgemein „die Richtersche“ genannt wurde.

Sie entstammte einer seit 1462 in Kirchhundem nachweisbaren Familie, die es zu einigem Wohlstand gebracht hatte. Nach dem ältesten Schatzregister des Herzog­tums Westfalen von 1536 hatte Dorotheas Vater, Hannß Becker, mit vier Goldgulden den zweithöchsten Steuer­betrag in Kirchhundem zu entrichten; das war knapp 1/5 der Steuersumme des Dorfes, die von insgesamt 28 Steuerpflichtigen aufzubringen war. Ihre Eltern könnten um 1530 geheiratet haben. Aus der Ehe gingen sechs oder sieben Kinder hervor. Dorotheas Geburt wird man in den Jahren 1535 anzusetzen haben. Die Familie gehörte zu den in leibherrlicher Abhängigkeit stehenden Eigenhö­rigen der von Plettenberg zu Engstfeld. 1567 – 70 bekundeten die Setzgenossen des Amtes Bilstein, die das ständische Vertretungsorgan der im Amt ansässigen Frei­bauern bildeten, die Freilassung von vier Töchtern des verstorbenen Hans Becker zu Hundem. Agnes, die Frau des Peter Stalm (Stamm) zu Emlinghausen, Dorothea, die Frau des Frantz von der Hardt zu Billstein, und Stine, die Frau des Valentin Eberts zu Brochhausen. Neben einer weiteren Schwester, Elisabeth, die 1573 Heinrich Stamm aus Ernlinghausen heiratete, hatte Dorothea noch einen Bruder Adolf, der das väterliche Erbe in Kirchhundem übernahm, und – so jedenfalls die bisherige Familienforschung – einen weiteren Bruder Jost, der in das Kirchhundemer Haus Kauf­mann einheiratete und darum auch Kopmanns Jost genannt wurde. Er war dem Drosten Caspar von Fürstenberg freundschaftlich verbunden und wurde 1588 von ihm als Landknecht in Dienst genommen.

Der genaue Zeitpunkt der Eheschließung Dorotheas mit Franz von der Hardt, der 1533 als Sohn des Bilsteiner Richters Martin von der Hardt geboren wurde und sich in latinisierter Form Franz ab Hardt nannte, ist nicht bekannt, wird aber für etwa 1560 anzusetzen sein. Der Ehe entsprossen drei Söhne und drei Töchter: Valentin, Eberhardt, Friedrich, Elisabeth, Ger­trud und Dorothea.

Franz von der Hardt zählte in den 1560er Jahren zu den Bilsteiner Gerichtsschöffen. 1570 bezeichnet er sich in einer Grundstückssache erstmals als Richter. 1572 wurde er von Caspar von Fürstenberg als Amtsschreiber angenommen und vereidigt. In welchem Jahr er als kurfürstlicher Richter zu Bilstein eingesetzt worden ist, lässt sich nicht genau ausmachen. Bis 1576 muß er nach den vorliegenden Quellen eine Zeitlang neben Valentin Landknecht als Bilsteiner Richter amtiert haben. In ei­nem Zeugenverhör erklärte er 1577, er sei 44 Jahre alt, in Attendorn und im Amt Fredeburg zur Schule gegangen, sonst aber immer im Amt Bilstein wohnhaft gewe­sen und lebe jetzt als Richter in seinem Vaterhaus in Bilstein von seinen Gü­tern und von Kaufmannschaft.

Franz von der Hardt war ein außerordentlich geschäftstüchtiger Mann und verstand sich dar­auf, den Familienbesitz durch Grundstückskäufe und Geldgeschäfte be­trächtlich zu mehren. In den Jahren 1563 bis 1591 tritt er in 15 Urkunden des Pfarr­archivs Kirchveischede, meist zusammen mit seiner Frau Dorothea, als Käufer von Grundstücken in Bilstein und Umgebung und als Geldverleiher auf. 1577 kauften beide in Bilstein von Caspar von Fürstenberg gleich 11 Grundstücke die dieser zuvor aus anderer Hand erworben hatte.

Unter Zaubereiverdacht

Wegen einer Geldforderung geriet Dorothea um 1570 in Streit mit einem Johann Frone aus Saalhausen. Welche schlimmen Folgen die Auseinandersetzung für Do­rothea nach sich zog, hat der 1903 verstorbene Kirchhundemer Amtmann und Be­sitzer des Gutes Vasbach, Fritz Brüning, an Hand von Akten im Archiv Vasbach wie folgt zusammengefasst:

„Johann Fronen war übel beleumundet und geriet außerdem 1575 in den Verdacht der Zaube­rei. Im peinlichen Verhör suchte er sich dadurch zu retten, dass er Doro­thea als Teilnehmerin der Zauberschaft, zu Ritten durch die Luft, Hexentänzen und dergl. bezeichnete. Doch wider­rief er diese Anschuldigung von Gericht am 3. Juni 1575 und wurde dann hingerichtet. Dorothea erwirkte nun durch eine Bittschrift ihres Bruders Adolf, ihres Schwagers Heinrich (Stamm) und ihres Gatten Franz beim Drosten Kaspar von Fürstenberg, dass sie zum gericht­lichen Nachweise ihres guten Rufes zugelassen wurde.

Der Richter Valentin Landknecht zu Bilstein lud sie darauf und ihre Zeugen zur Ver­handlung, stellte aber den Zeugen nicht die vorgeschriebene Frage, ob sie an Doro­theas Unschuld glaubten, sondern verlangte von ihnen die eidliche Bekundung der tatsächlichen Unschuld. Die Verhandlung blieb fruchtlos, weil die Zeugen diese Er­klärung aus eigener Wissenschaft nicht geben konnten. Landknecht sollte damals auch öffentlich erklärt haben, er werde die Verbrennung der Dorothea und ihrer Mutter Ottilia trotz des großen Parteianhanges derselben herbeiführen.

Adolf Becker, Heinrich Stamm und Franz von der Hardt beschwerten sich darüber beim Drosten und erreichten, dass derselbe an Stelle des in Haß und Neid gegen Dorothea und ihre Mutter befangenen Richters Landknecht den Gografen Eberhard Halffinner zu Attendorn mit der Leitung des Purgations-Verfahrens (Verfahren des Reinigungseides) beauftragte.

Halffinner hielt als deputierter Richter unter Zuziehung des Churdt Heitzfeld, des Jo­hann Landknecht, Rotger zu Hermtrop und sämtlicher Schöffen des kurfürstlichen Gerichts zu Bilstein am 19. Juli 1575 in der Sache Termin in Bilstein. Dorothea er­schien dabei mit ihrem Anwalt und Prokurator Adolf Gruebern, Befehlshaber zu Wal­denburg, und mit ihren nächsten Nachbarn zu Bilstein, Franz Wefer, Churdt Vei­schen, Dietrich Möller, Nisen Veischen, Mar­ten Kremer, Johann Broseken und Tilles (Ottilia?), Dorothea und Martin Brill. Sie beeidete ihre Unschuld und die Nachbar­schaft den Glauben an die Wahrheit ihres Eides. Das Gericht erkannte darauf, dass Dorothea sich von der Beschuldigung des hingerichteten Zauberers und von bösem Geschwätz nach Gebühr des kanonischen Rechtes gereinigt habe, und fertigte ihr das mit Gründen versehene Erkenntnis als Documentum purgationis aus.“

Der aus nicht ersichtlichen Gründen Dorothea übel wollende, von Haß getriebene Richter Valentin Landknecht starb fast genau ein Jahr später am 14. Juli 1576. Allei­niger Inhaber des Richteramtes in Bilstein war nun Franz von der Hartdt.

In der von Adolf Becker, Heinrich Stamm und Franz von der Hardt eingereichten Bitt­schrift heißt es, die „erdichte Smehung“ (erdichtete Schmähung) sei ihrer Schwester, Schwägerin und Hausfrau „gantz unguetlich und wider alle Recht zugefugt“ worden. Das sei „leichtlich daher zu ermessen, dass Godt Lob ihr Leben und Wandel viel an­ders geschaffen, dan dass solches von ihr könne vermuetet werden, dan sie sich die Zeit ihres Lebens je und allewege so viel ihr immer menschlich und mueglich gewe­sen aller Ehrbarkeit geflissen, zur Kirche viels­sig gangen, der heiligen Sacrament gebraucht, den Armen die Hand gereichet, auch ihre Kin­der zu aller Ehrbarkeit, Zucht und Gottes Furcht erzogen, wie darvon ihre Nachbauere (Nach­barn) gut Zeuchnus geben können und wurd keiner under denen befunden werden, dar das Jegenspiel (Gegenteil) jehemals gesehen oder gehoert hat“. 

Kriegsnöte

In den folgenden Jahren begegnet der Name Dorotheas zunächst nur in Urkunden über Grundstückskäufe, die sie zusammen mit ihrem Mann tätigt. Unruhige Wochen, in denen Le­ben und Habe der Bilsteiner in ständiger Gefahr waren, erlebte sie im Sommer 1583, als der zum Protestantismus übergetretene und exkommunizierte Kölner Erzbischof und Kurfürst Gebhard Truchseß nach seiner Absetzung den dar­über ausgebrochenen Kölnischen Krieg in das Herzogtum Westfalen trug und des­sen Bewohnern den reformierten Glauben aufzuzwin­gen versuchte. Am 11. Juni nahm er Burg und Freiheit Bilstein ein. Caspar von Fürstenberg, ein entschiedener, dem katholischen Bekenntnis treu anhängender Gegner Gebhards, flüchtete heimlich nach Paderborn. Während der abgesetzte Kurfürst fast sieben Wochen lang auf Burg Bilstein residierte, zogen seine Truppen raubend und plündernd durch die Umge­bung. In einer späteren Klage des Setzgenossen und Eingesessenen des Amtes Bilstein vom 30. Mai 1584 heißt es: „Der abgesetzte Truchseß ist neben dem graffen von Mörs mit einer großen anzahl mutwilliger reuter und knechten in das ampt Bilstein eingefallen, das haus (die Burg) und ampt Bilstein eingenommen, große ge­walt geubet, die leute von ihren heusern und gutern verjagt und ranzionirt (Lösegeld gefordert), kasten und schlosser aufgeschlagen, alles gefres­sen, gesoffen und um­gebracht, was zu bekommen gewesen.“ 

Nachdem Gebhard Truchseß alle Güter und Einkünfte Fürstenbergs hatte konfiszie­ren las­sen, zog er am 26. Juli von Bilstein ab. Auf der Burg blieb eine Besatzung zu­rück. Als im Frühjahr 1584 die Truppen des neuen Kölner Erzbischofs und Kurfürsten Ernst von Bayern in das Herzogtum Westfalen einrückten, hielt Caspar von Fürsten­berg die Zeit für eine Rücker­oberung Bilsteins gekommen und befahl von Werl aus die Belagerung. In seinem Tagebuch schreibt er: „Bilstein ist den 8ten (April) umblaufen und von den bauren umbzingelt worden.“ Am 11. April traf er wieder in Bilstein ein. Im Tagebuch vermerkt er: „Ich zihe uf Bilstein, befindt Gott lob, dass sich alles uf dem haus (Burg Bilstein), an die 34 personen, uf gnadt und ungnadt ergeben …“ Bilstein war wieder in seinem Besitz. Caspar konnte seinen Amtspflich­ten wieder nachgehen. 

Wir haben keinerlei Nachricht darüber, was die Bewohner der Freiheit Bilstein und damit auch Dorothea und ihre Familie in der neunmonatigen Besatzungszeit über sich haben ergehen las­sen müssen an tätlichen Bedrohungen, Raub, Abgabenforde­rungen und anderen Beschwernis­sen. Leicht können auch sie es nicht gehabt haben, wenn es heißt, dass die Kriegsleute „tag und nacht übermeßig gesoffen, in verschie­denen dorfem etliche baue angestochen und verbrant, teglich auf ihren wagen haber, korn, geld, speck, hausgerat und dergleichen, so sie geraubet, nach haus fahren las­sen und sich dermaßen erzeiget, als wan es offenbare feinde gewesen“.

Erneut im Gerede

1587 geriet Dorothea erneut wegen Zaubereisachen ins Gerede. Unter dem Datum 22. Januar notierte Caspar von Fürstenberg in seinem Tagebuch, er habe Verhör gehalten zwischen der Richterschen und Knopen Cord, seinem Schneider, wegen Scheltwörtern der Zauberei. Wahr­scheinlich hatte Knope Dorothea vorgeworfen, sie sei eine Hexe. Am 9. September hielt Caspar „in causa iniuriarum (Rechtsstreit wegen Beleidigungen) der richterschen zu Bilstein contra Knopen Cordt“ Gericht, ohne dass wir über das Urteil etwas erfahren. Doch scheint es zur Folge gehabt zu haben, dass Gerüchte, wie sie sich in Knopes Beschimpfungen äußerten, vorerst keine Wirkung mehr hatten.

Dorotheas Lage spitzt sich zu

Drei Jahre später kam es 1590 im Amt Bilstein zu ersten großen Ausbruch des He­xenwahns. Allein in diesem Jahr wurden 28 Personen wegen Hexerein angeklagt, 1591 waren es acht und 1592 elf. 21 Am 24. Mai 1590 erhielt der in Schloß Neuhaus weilende Caspar „von Bilstein unterschiedliche schreiben in politicis, zaubereisachen belangendt, pre­sertim (besonders) über die richtersche zu Bilstein, …“ Vorausgegangen war unter anderem ein Ver­hör, in dem 17. Mai Greta uf dem Hufgen zu Silberg ausgesagt hatte, unter den Personen, die mit ihr auf einem Tanzplatz gewesen seinen, hätten sich auch „Dorothea, die Richtersche zu Bilstein,“ und deren Schwester „Neita Stammes zu Emlinkusen“ befunden. Am 13. Juni hält Caspar in seinem Tagebuch fest, der Richter, also Franz von der Hardt, habe „wehemu­tiglich von wegen seiner besachten („angeschuldigten) hausfrauwen als einer zauberinnen“ suppliziert, d. h. eine Bitt­schrift eingereicht. Unter dem 16. Juni vermerkt er: „Totterhans bekendt zauberei uber die richterche Dorthen.“

Am 19. Juni werden Dorothea und ihre kurz Nete genannte Schwester Agnes Stamm mit ei­nem inhaftierten Zauberer (“zeuberer) konfrontiert. Dieser bleibt unter Angabe „mehrer umbstende“ bei seinem Geständnis.

Am 12. Juli bitten Franz von der Hart „und seine freundschaft“ (Verwandschaft) den Drosten, dass sie bei der Einziehung ihrer  Hausfrauen und Anverwandten „nicht mochten ubereilet werden“. Drei Tage darauf, an einem Sonntag, begibt sich Doro­theas Ehemann auf die Burg und spricht mit Caspar von Fürstenberg „von seiner hausfrauwen zaubereisachen“. Er bittet den Drosten, er möge mit der „execution“ (Ausführung der Anordnung) etwas Geduld haben und damit bis nach der Ernte warten.

Am folgenden Tag, dem 16. Juli erteilt Caspar dem Bilsteiner Landknecht Kopmanns Jost den Befehl, „Stammes Nethen gefenglich einzuziehen der zauberei halben“. Wenn Kopmanns Jost, wie ein Familienforscher meinen, ein leiblicher Bruder der Agnes Stamm war, so hatte er als unterer Exekutivbeamter – später hätte man ge­sagt als Gendarm – die eigene Schwester zu inhaftieren. Am 19. Juli schreibt Fürs­tenberg in sein Tagebuch: „Stams Netha zu Emlinghau­sen wirdt zauberei halben gefenglich eingezogen.“ Einen Tag später wird sie peinlich, d. h. unter Anwendung der Folter, verhört. Am 30. Juli muß sie, wahrscheinlich auf dem Richtplatz am Alten Feld bei ihrem Geburtsort Kirchhundem, den Scheiterhaufen besteigen und wird zu­sammen mit einer weiteren als Zauberin verurteilten Frau verbrannt.

Dorothea hatte sich nach der Verhaftung ihrer Schwester auf Drängen ihrer Angehö­rigen und Verwandten zu ihrem in Welschen Ennest wohnenden Sohn Friedrich be­geben. Obwohl der Ort auch im Amt Bilstein lag. Wurde ihr der Ortswechsel als Flucht ausgelegt. Unter dem 22. Juli schreibt Caspar: „Herr Friedrich und ich zechen gar hardt bis umb die mitternacht in Jo­han Landsknechts (seines Dieners) haus und reißet imitteslt (unterdessen) Dorthe die richter­sche von wegen besachter und be­ruchtigter zauberei aus.“

Was aber hatte zu den Vorwürfen, Dorothea treibe verderbliche Zauberei, geführt, nachdem sie doch 1575 das Bilsteiner Schöffengericht von derartiger Beschuldigung freigesprochen und die Ehrabschneider zu ewigem Stillschweigen verpflichtet hatte? Das Cordt Knope sie 11 Jahre danach wieder als beschimpfte, zeigt, daß in Bilstein nicht alle von ihrer Unschuld überzeugt waren. Auch die Besagungen Grethas uf dem Hufgen und des Totterhans lässt ver­muten, daß die „heimlich fliegende Rede“, sie sei eine Zauberin, wohl nie ganz verstummt war. 

Ein folgenschweres Gerücht

Zum Verhängnis wurde Dorothea der Tod der Frau Caspars von Fürstenberg, Elisa­beth Spie­gel von Peckelsheim. Während Caspar in Mainz weilte, war sie am 1. Juni 1587 im Alter von 40 Jahren gestorben, fünf Monate nach der Geburt einer Tochter, ihres achten Kindes in einer 14jährigen Ehe.

Schon bald danach scheint das Gerücht aufgekommen zu sein, die Richtersche habe Caspars Frau vergiftet. Dafür sprechen die im September 1587 von Knope gegen­über Dorothea geäu­ßerten „Scheltwörter der Zauberei“. Caspar scheint sich darüber zunächst nicht viele Gedan­ken gemacht zu haben. Nachdem er aber am 31. August 1590 von der „möme zu Peckelß­heim“, seiner Schwiegermutter, „einen heßlichen unbedechtigen brief .. umb hinrichtung der ausgewichenen richterschen zu Bilstein“ erhalten hatte, sah er sich offensichtlich unter Druck gesetzt und zum Handeln genö­tigt. 

In Frankfurt, wo er, zu den kurfürstlichen katholischen Räten gehörend, als Gesand­ter am Reichsdeputationstag teilnahm, erhielt er am 15. Oktober die Nachricht, dass man die Richter­sche festgenommen habe und vier Personen auf sie bekannt hätten, „das sie mein salige (ver­storbene) hausfrauw soll umgebracht haben“. Unter den vier angeblichen Zeugen war auch die am 21., 22. und 25. September verhörte, „mit der schrauben“ gefolterte Anna Kromen zu Benolpe. Nach einer Akte im Archiv des Frei­herrn von Fürstenberg zu Herdringen hatte sie angegeben, dass „die Richtersche, Schmantz Gerdt, die Kuisische zur Viedermule (Wirme) und Agatha Stammes“ einen Plan geschmiedet hätten, um die Drostin und den Drosten zu ver­giften. „Darnach sei die drostinnen gestorben. Die richtersche habe darnach aufs haus Bilstein zur drostinnen gangen, zusammen gezechet, und habe sie den verfifft (das Gift) in einen glaise weins in dausent teuffel eingeblaißen. So sie den raum und zeit gehabt, wollte sie (es) dem herrn drosten gleichfalls vorgeben“ (gereicht) haben.

Aus Frankfurt schrieb Caspar noch am 17 Oktober Briefe „an meinen amptschreiber Dudowi­gen und mein gnediger her landtrost daneben an den bruchtemeister (Brüchtenmeister), wie mit der richterschen zu verfahren“ sei.

Von der Reise nach Frankfurt, die ihn für sieben Wochen von seinem Amtssitz fern­gehalten hatte, am Sonntag, dem 4. November, nach Bilstein zurückgekehrt, findet er „den bruchte­meister Henneken von Essen alhle“ und erfährt, dass „dißes tags die richtersche und irer schwester tochter irstlich peinlich verhordt worden in beisein des bruchtemeisters als commis­saril von Amßberah her“, aber „nichts bekandt“ haben. Am Tag darauf zieht Caspar mit dem Brüchtenmeister und seinem Gesinde nach Kirchhundem „zu Kopmans Josts sons Ditherichen hochzeit und sein über die maß frölig alda.“

Unter dem 7. November findet man in Caspars Tagebuch die Eintragung: „Von Hun­dem sein wir aber widder heimgezogen und wird die richtersche widerumb mit tortur abgegriffen in beisein bruchtemeisters, gogreven von Attendorn und anderer ampts­diener, aber es ist nicht von ihr mit aller tortur zu bringen, auch in offenbarn bewiese­nen dingen. Ich muß es Gott befein, der machs richten, was der welt nicht offenbart werden kann. Dem bruchtemeister hab ich ettliche fuchsbelge verehrt und ist damit widerumb nach Arnßpergh gezogen.“

Am 20. November wurden Dorothea von der Hardt, Anne Schwermers und der an­gebliche Zauberer Jacob Faust aus Rahrbach vor das Halsgericht gestellt, das über schwere Verbre­chen zu urteilen hatte und auf Todesstrafe erkennen konnte. Faust wurde zum Feuertod ver­urteilt – „zum fuer verdambt“ -, Anne Schwermers frei­gesprochen und die Richtersche auf Beantwortung der Befragungspunkte an einem der nächstfolgenden Gerichtstermine erkannt.

Dorothea sah sich am 22. Dezember wieder vor Gericht gestellt und wurde befragt.

Während eines zweieinhalbwöchigen Aufenthalts in Werl vermerkt Caspar am 18. Januar 1591 in seinem Tagebuch, dass die Herren Räte in der Strafrechtssache des Amtes „contra die richtersche zu Bilstein“ den Anwalt Dietrich Rödinghauß (Roding­hausen) eingesetzt haben. Mit ihm stand Caspar nie auf gutem Fuß. Schon 1580 hatte er in seinem Tagebuch vermerkt er, dass Rodinghausen Beleidigungen über ihn ausgegossen („ausgossen“) habe.

Rodinghausen versuchte mit allen Mitteln, eine weitere und schärfere Tortur Doro­theas zu erreichen. Er erklärte, die Richtersche sei nicht genügend „ausgemartert“ worden, weil an ihrem Körper keine Spuren der Torturen vom November zu erkennen seien. Deshalb solle sie noch einmal, und zwar noch härter der peinlichen Frage un­terworfen werden.

Zu Hilfe kam Dorothea ein namentlich nicht bekannter Anwalt, der eine Verteidi­gungsschrift verfasste, die sie als „Exception-, Protestation- und Reservationschrift Dorothen Beckers, als gefangenen Beclagtinnen Contra Theodorum Rodinckhausen, angemasten peinlichen Ancle­gern“ am 19. Februar 1591 beim Kurfürstlich Kölni­schen peinlichen Halsgericht zu Bilstein einreichte.

Darin heißt es, angepasst an die heutige Schreibweise: „Denn dies ist einmal unver­meintlich, dass die Beklagte als sie nicht, wie auf Gegenseiten vorgebracht, ausge­treten und in fuga (auf der Flucht), sondern auf Anreizen ihrer Verwandten bei ihrem Sohn Friedrich von der Hardt zu Welschenendest gewesen, und sich eben in diesem Erzstift, amt und Gericht verhalten, daselbst mit gewehrter Hand nicht allein ange­griffen, abgeholet und anhero gen Bilstein ge­führt und ins Gefängnis gelegt, sondern dass sie auch torturae subjlziert (der Folter unterwor­fen) und gemartert worden. Ja, dass man also mit der Tortur umgegangen, dass sie auf Sonn­abend, den 3. No­vembris, das erste Mal und dann folgend den Dienstag zum zweiten Mal, den nächst folgenden Tag aber, nämlich auf Mittwochen, zum dritten Mal aufs allerhärteste und schärfste torqulert (gefoltert) mit Schrauben, Auf- und Abziehen, Elevieren, Deponie­ren, Rauchen (beizendem Rauch aussetzen), Haarseileren (die Haare zu einem Seil drehen) und brennenden Lichtern ausgemartert wurde. Und das mehr ist, als sie – die Beklagte – ohne Zweifel durch Gottes Hilfe und ausgestürzte innige Gebete vieler frommer Christen /: denn ihr, als einer Schwachen, gefasst solcher Marter auszuste­hen und standhaftglich zu bleiben, fast unmöglich gewesen :/ nicht bekennet, sonder dabei /: wie sie denn auch jederzeit sich aller Ehrbarkeit, Ehre und Gottesfurcht und eines christlichen Lebens, Handels und Wandels beflissen und bei jedermänniglich dafür gehalten wurde, und nach, auch daher bei Adeligen und Unadligen wohl gelit­ten, lieb und wert gehalten :/ geblieben, dass sie unschuldig und mit gutem Gewissen auch ohne Verletzung der Wahrheit nicht sagen und bekennen konnte, dass sie ei­nige Zauberei glaubt oder sich derer beflissen, dass ihr fünf Getränke zu verschiede­nen Malen, ein Bekenntnis und Konfession dadurch aufzuspringen, eingegeben, aber dass vermit­telst göttlicher Hilfe die Wahrheit und ihr – der Beklagten – Unschuld nach wie vor vor Au­gen geblieben und das Kontrarium (Gegenteil) nicht hervor gekom­men.“

In der Verteidigungsschrift wird unter Verweis auf einschlägige juristische Literatur darge­legt, dass die Beklagte nicht noch einmal vernommen werden dürfe, weil sie bereits dreimal gemartert worden sei und sich von den vorgebrachten Indizien gerei­nigt habe. Sie bittet, den „angemaßten Gegenanwalt“ gar nicht zu hören, sondern ihn von der Schwelle des Gerichts fernzuhalten und abzuweisen, die Beklagte aber zu absolvieren, es sei denn, dass der Gegen­anwalt legitimiere und beweise, dass die gegen die Beklagte vorgebrachten Indizien neue In­dizien seien und den peinlichen Examinatoren nicht bekannt waren. 

Der Verfasser des Dokuments bemerkt, auch die Gegenseite gebe zu, dass die Be­klagte gesagt habe, wenn sie gleich hundertmal gemartert und zu Tode vexiert (ge­quält) würde, so könnte sie doch von der Zauberei nichts bekennen.

Am 23. März notiert Caspar ohne weitere Angaben, er habe seinem Bevollmächtig­ten in Do­rothen Richters Sachen befohlen, was er tun solle. Unter dem 3. April trägt er ein: „Die be­haftete richtersche lasset bei mir bitten umb relaxation (Freilassung), erbeut sich verweichung aus dem landt.“ Dorothea zeigte sich also bereit, ihre kur­kölnische Heimat zu verlassen und sich an einen außerhalb gelegenen Ort zu bege­ben.

Neue Zeugenaussagen

Am 15. Mai vermerkt Caspar: „In der richterschen zeubereisachen wirdt ils contesfirt (erfolgt Klagebeantwortung) und zeugen ernendt.“ Am 28. Mai folgt der Eintrag: „Terminus produc­tionis festium (Termin des Vorbringens der zeugen) contra die richtersche Dorithen wirdt gehalten.“ Was sich dabei ergeben hat, ist aus den erhal­ten gebliebenen Quellen nicht zu er­fahren. Jedenfalls blieb Dorothea weiter im Ge­fängnis. Wahrscheinlich hoffte Rodinghausen, neue verwendbare Tatbestände bebringen zu können. 

Eine Kronzeugin glaubte er in Anna von Wulfrodt gefunden zu haben, die in Olpe als Wi­chersche (Hexe, Zauberin) gefangen gehalten wurde und in zwei Verhören am 3. August und am 4. September Dorothea als Zauberin denunzierte. Caspar von Fürs­tenberg notierte dazu unter dem 4. September: „Jahan Lantknecht zeucht (zieht) uf Olpe, das die eingezogene Wikersche geschwembt und gefragt werden.“ Am übernächsten Tag schreibt er: „Meine amptsdiener kommen von Olpe von der Wickerschen widder, hat uber die maß viel bekandt, sonderlich über die richtersche.“ 

In einem Protokoll heißt es dazu unter anderm, Anna habe bekannt, dass die Rich­tersche und ihre Schwester Gerdraut zu Hundem wie auch die Brilsche und die Hirdi­sche dem Herrn Drosten, Johan und Jost Becker, Landknecht, heftig nachtrachteten und sie um Leib und Le­ben zu bringen suchten. Des weiteren habe sie ausgesagt, sobald die Richtersche von der Burg entweder zum Feuer zu verbrennen oder sonst herabkomme, solle der Teufel, ihr Buhle, den Weg verfälschen, dass der Herr Drost, wenn er alsdann herabginge oder ritte, an seinem Leibe Mangel bekommen sollte, dass er nimmer frohe Uher (Stunde) haben sollte. Was Anna im einzelnen bekannte, ist zum Teil so phantastisch und unglaubwürdig, dass im weiteren Pro­zessverlauf, soweit sich sehen lässt, keine der beiden Prozessparteien davon Gebrauch machte. 

Die Besagung von Dorotheas Schwester Gerdraut, genannt die Schmändische, hatte jedoch zur Folge, dass diese am darauffolgenden Sonntag, dem 8. September, „zau­berei halben ge­fenglich eingezogen“ wurde, wie einer Notiz des Caspars Tagebuch zu entnehmen ist. 

Am nächsten Tag wird Dorothea, begleitet von den Amtsdienern, zur Konfrontation mit „En­che“ (Anna) von Wulfrodt nach Olpe überführt. Am 10. Septemer stehen sich beide im Ge­fängnis zu Olpe gegenüber. Anna wiederholt, was sie bekannt hat, und erklärt, dass sie das Gesagte auf ihrer Sellen Seligkeit nehmen und beim jüngsten Gericht Rede und Antwort ge­ben wolle. Bis auf die Darstellung eines Besuches in Welschen Ennest weist Dorothea alles andere als erfunden und als Lüge zurück, Anna beharrt „bestdiglich“ auf ihren Aussagen und bittet Dorothea „umb Gottes willen …, dass sie sich bekere und thue wie sie und andern arme Sunderinnen und treibe den Teufel von sich; dan sie wisse doch recht wol, wie es sey.“ 

Am 28. Dezember sagte Anna, Eberdts Hanses Hausfrau zu Kruberg, gegen die Richtersche aus. Eine Niederschrift über die persönliche Gegenüberstellung beider am 2. Januar 1592 läßt die Unsicherheit der Zeugin und etwas von der Verteidi­gungskunst Dorotheas erkennen, wenn man liest, Anna habe bekannt, „dass sie die Richtersche ungefehrlich vor 6 Jahren uf dem Krutz (Wegekreuz) zwischen Bilstein und Benolpe ufm Dantzplatz zweimal gesehen, wilchs die Richtersche nicht gestan­den und gesagt, dass solchs von Annen erdacht und erlogen sey; und ferner sie gefraget, ob Anna sie uf dem Dantze persönlich gesehen, mit ihr geredt hab oder nicht; druf Anna gesprochen, sie hette sye ihres Wissens dasebst gesehen, aber ni­hemal mit ihr Sprach gehabt; druf die Richtersche geantwortet, ob sich dan auch der Teufel inihre Gestalt gemacht hette, als wan sie daselbst gewesen were; darauf Anna gesprochen, ob das also geschehen konne oder nicht, sey ihr unbewusst, da sie dan die Richtersche als ein Schem (Schatten) vielleicht gesehen haben mochte, sey ihr hertzlich leidt, dass sey wul darvon uf­gethan, dass ihr doch solchs der Almechtige Gott verzeihen …“ 

Auch eine Aussage Gerdrauts aufm Berge, wonach die Richtersche oftmals mit auf dem Tanzplatz gewesen sei, wurde von dieser mit Entschiedenheit und bei ihrer Seelen Seligkeit als unwahr zurückgewiesen. 

Gesuch um „Canonica purgatio“ 

Seit Oktober 1590 im Gefängnis, musste Dorothea auch den ganzen Winter 1591/92 in Ker­kerhaft verbringen. Am 17. März 1592 reichte sie am Bilsteiner Gericht ein umfangreiches Gesuch um „Canonica pugatio“ (Reinigungseid) ein, in der Hoffnung, sich damit, wie schon 1575, durch eigenen Eid und Eide von Freunden vom Zaube­reiverdacht reinigen zu können. 

Das Dokument mit zahlreichen lateinischen Zitaten aus der juristischen Litereatur verrät die Handschrift eines versierten Juristen. Schritt für Schritt werden darin alle von der Partei der Kläger – das waren die durch einen Anwalt vertretenen „Colnischen Churfürstlichen weltli­chen Raethe in Westphalen“ – gegen die Beklagte vor­gebrachten Beschuldigungen und an­geblichen Indizien zurückgewiesen, widerlegt oder als irrig entlarvt und der Prozess selbst als ungerechtfertigt und ungesetzlich dargestellt. 

Ausführlich setzt sich der Verfasser auch mit der Anschuldigung auseinander, Doro­thea habe die Frau des Drosten vergiftet. Die Beklagte, so legt er dar, habe erklärt, dass ihr nichts ande­res bewusst gewesen sei, „dan dass die Frau Drostin an einer naturlichen Krangheit verschie­den, noch dass sie sich jemals einiger Vergiftung, sundern vielmehr eines andern weiblichen Gebrechen, darob sie einstmals sterben wurte, vielmals beclagt“. Wie auch andere Weiber sei die Beklagte nur allein in Kindsnöten bei der Frau Drostin gewesen und sonst ab und zu zu ihr gegangen, habe sich aber nie unterfangen, ihr Speise oder Trank zu reichen. Der Anwalt zi­tiert mehrere Zeuginnen, die nie gehört haben wollten, dass die Frau Drostin sich über eine Vergiftung beklagt oder davon etwas gespürt habe, „nur allein, dass sie keinen naturlichen Stoelgang /: und sunsten neben dem Bruche an fraulicher Krankheit der Mutter (Gebärmutter) gebrechaftig sey :/ gehabt habe“. Auch Caspar von Fürsten­bergs natürliche, wahrscheinlich aus der Zeit vor seiner ersten Ehe stammende Tochter Elschen, sage, dass sie gesehen und gehört habe, die Frau Drostin sei na­türlich abgeschieden, und sie wisse von keiner Vergiftung. Es sei wahr, so heißt es in dem Gesuch, dass es zwischen der Beklagten und der verstorbenen, ihrer gewese­nen lieben Frau Drostinne ganz freundlich und christlich gestanden habe. 

Kritisch nimmt der unbekannte Verfasser zur Glaubwürdigkeit und zu Aussagen der von den Klägern vorgebrachten Zeugen Stellung. So weist er bei der Erwähnung Jost Beckers darauf hin, dass dieser auch des Herrn Drosten bestallter Diener, Zöll­ner und Rentmeister sei und konstatiert damit dessen Befangenheit. Aber auch ohne das stehe Jost in seiner Zeugenaussage einzig und allein da, er habe keinen „con­festern“ (Mitzeugen), also sei er aus vorher genann­ten Rechtsgränden „gleichfals sowol seiner Person als auch seiner Zeugensagen halber un­zeugbar und gentzlich zu verwerfen“. 

Zusammenfassend schreibt der Anwalt, dass alle Besagungen aus der vorausge­gangenen ers­ten falschen Besagung (des 1575 hingerichteten Johann Fronen aus Saalhausen) und dem dar­aus bei Kleinen und Großen, Frommen und Unfrommen erwachsenen Geschwätz und Ge­schrei oder sonst aus des Teufels Betrug und Phantasie und nicht aus dem eigenen „Gewissen“ der eingezogenen und überwun­denen Missetäter ersprossen und entstanden seien. 

Zum Schluss heißt es, aus allem Dargelegten werde klar, dass die Beklagte nicht al­lein mit allen Eiden in purgatione canonica, sondern auch sonst alle Indizien entkräf­tet habe und be­reits tapfer, scharf und ernst genug ausgemartert worden sei. Sie habe nichts von dem, dessen sie beschuldigt werde, zu bekennen gewusst und sich damit „purgirt“ (gereinigt), so dass es nichts weiter zu disputieren gebe.

Weil Dorothea eine höhere Instanz, vermutlich das Appellationsgericht in Arnsberg oder das Offizialat in Werl, angerufen und darum gebeten hatte, den Rat und das Erkenntnis unparteii­scher Rechtsgelehrter einholen zu dürfen, konnte in Bilstein nicht weiterverhandelt werden. Am 4. Mai 1592 kam der Gograf von Attendorn zu Caspar von Fürstenberg „von wegen verschickung der acten contra die richtersche.“ Neun Monate tat sich für diese nichts. Dorothea blieb im Gefängnis. Nach zweieinviertel Jahren Haft schlug im Februar 1593 endlich die Be­freiungsstunde. 

Am 24. Januar 1593 hatte Caspar in Schloß Neuhaus ein Schreiben des Gografen zu Atten­dorn erhalten, in dem dieser mitteilte, das Urteil in der Sache der Richter­schen zu Bilstein sei angekommen. Er begehre zu wissen, so der Gograf, an welchem Tag das Urteil öffentlich bekannt gemacht und wer dazu zitiert werden solle. Aus Schloß Neuhaus schrieb der Droste am 26. Januar an seine Schwiegermutter zu Peckelsheim und ihre sämtlichen Söhne und teilte ihnen den Termin des peinlichen Halsgerichtstags gegen die Richtersche zu Bilstein mit, da­mit sie dazu jemand auf Bilstein schickten. 

Am 4. Februar vermerkt Caspar in Oelinghausen in seinem Tagebuch: „Der keiner von Arnß­pergh kumbt widder mit schreiben von meinem gnedigen hern landfrosten, die publication der urteil mit der richterschen belangendt.“ 

Urteilsverkündung 

Daß sich auch Caspar erleichtert fühlte, als am 6. Februar endlich in der Prozesssa­che Doro­thea Becker der Urteilsspruch öffentlich verkündet werden konnte, zeigt sein Tagebuchein­trag: „ Über die richterschen wirdt endtlich gericht gehalten, wirdt durch erkandtnis unpartei­scher rechtsgelerten des erzstift Coln verwiesen und mir in er­stattung der atzung (Verpfle­gung) verdambt. Dißer Proceß hat ins dritte jar gedaurt und stehet mir ein großes aus unbe­scheidener verursachung der mutter zu Peckelß­heim. Ich bin mit dem keiner und dem ampts­dienern guter dinge.“ Weder der authen­tische Wortlaut des Urteilsspruchs noch die Urteilsbe­gründung sind uns bekannt; wir haben dazu nur die hier zitierte Notiz Caspars von Fürstenberg in seinem Tagebuch.

Als wenige Tage nach der öffentlichen Urteilsverkündugn der Bilsteiner Rentmeister Ludwig von Stockhausen am 9. Februar 1593 nach Arnsberg reiste, befahl ihm Cas­par, „mit dem hern landfrosten der richterschen unkosten halben zu reden.“ Am sel­ben Tag informierte Caspar seine Schwester Ottilie, Äbtissin des Klosters Oelinghau­sen über den Prozessausgang. Sie hatte wissen wollen, „wie der richterschen urteil gelaut“. 

Am 17. März vermerkt Caspar, ohne einen Namen anzugeben: „Schicke dem hern advocato sein jargelt und verehrung in causa (Rechtsfall) der richterschen.“ Adressat war vermutlich ein Advokat in Werl. 

Wieder in Freiheit 

Dorothea hatte ihre Freiheit zurück, durfte wieder die erquickende Luft außerhalb des Kerkers atmen, konnte sich wieder am hellen Licht des Tages erfreuen. Doch sie musste, so das Urteil, ihre sauerländische Heimat, ihre Familie und ihr Haus in Bilstein verlassen und durfte sich nicht mehr im Rheinischen Erzstift der Kölner Erz­bischöfe und Kurfürsten aufhalten. Sie war als Verbannte gebrandmarkt und hatte obendrein noch dem Drosten die Kosten für ihre Ver­pflegung während ihrer Gefängniszeit zu erstatten. 

Dass sie mit dem Leben davonkam, verdankte sie der bewundernswerten Standhaftig­keit und Tapferkeit, mit der sie trotz dreimaliger Folterung jedes Bekenntnis einer Schuld verweigert hatte, aber auch dem Umstand, dass glaubwürdige Freunde und Bekannte bei eigener Gefähr­dung mutig genug waren, öffentlich für sie einzutreten und als Zeugen unter Eid für sie aus­zusagen. Ein Glücksfall war, dass Dorothea ei­nen klugen und geschickten Anwalt hatte, der es vermochte, mit juristischem Sach­verstand alle gegen sie vorgebrachten Beschuldigungen zu entkräften. 

Wie aber verhielt sich Dorothea, nachdem der Richterspruch ergangen war? Ist sie wirklich, wenn auch nur für eine erste Zeit, in ein anderes Territorium gezogen und damit ins „Aus­land“, wie es das Gericht befohlen hatte?“ 

Möglicherweise hat sie sich zunächst für einige Wochen oder auch Monate bei nahen Ver­wandten oder Freunden verborgen gehalten, doch die Grenzen des Herzogtums Westfalen scheint sie nie hinter sich gelassen zu haben. 

Dafür spricht eine von den Setzgenossen des Amtes Bilstein, der ständischen Ver­tretung der freien Bauern des Amtsbezirks, im Namen der Eingesessenen einge­reichten Beschwerde aus dem Jahr 1594. Sie erinnert zunächst daran, dass „etz­liche (etliche Personen) dieses ambts Bilstein des hochabscheulichen lasters der zauberei halber eins theils durch sich selbst verwichen, eins theils auff vurgehende urtheil und recht dieses erzstifts Collen verwiesen, verban­net“ worden seien, „auch leibliche eidte praetieret und uhrfridden gethan, dieser orther, darauf sunderlich gna­den unseres herrn churfürsten (ohne Begnadigung durch den Kurfürsten) nicht wider einzukehren“. 

Sechs Personen werden namentlich genannt, an erster Stelle „Dorothea Beckers als die Rich­tersche“. Von den Betroffenen heißt es, dass sie sich „nunmehr“ nicht allein in ihren Häusern, Straßen, Gassen und Kirchen, sondern auch auf Hochzeiten, Kindtaufen und dergleichen Gastereien öffentlich und ungeschert sehen und finden lassen, darob dann nicht allein aller­hand Aufruhr, Zank und Unlust, ja auch Mord und Totschlag hervorgerufen werde, sondern auch zu Trotz, Hohn, Verachtung und Spott des Amtes und Gerichtes und ebenso zu des ge­meinen Mannes Nachteil Schaden und Ärgernis geschehe. Speziell zu Dorothea liest man in der Beschwerde: „Und da es gleich dafür zu halten, die Richtersche habe von hoichstgedach­tenen unseren churfürsten und hern gnade erlanget dergestalt, wiederumb bei die ire (bei den Ihren) anzulangen, davon aber unseren weißens noch zur zeidt nichtz vorkommen.“ Zum Schluß wird gefordert, die Bußfertigen zur Besserung und „gnadenein“, aber die Un­bußferti­gen und Schuldigen, anderen zu einem abscheulichen Exempel, zur gebühr­lichen und zeitlichen Strafe zu bringen. 

Zur gleichen Zeit zog sich Dorotheas Mann, Franz von der Hardt, den Unmut der Amtseinge­sessenen zu. Vielleicht war der Kauf des einstigen Hauses der Burgman­nenfamilie von Ohle in der Freiheit Bilstein von Caspar von Fürstenberg am 21. September 1593 der letzte Auslö­ser. Jedenfalls erhoben die Eingesessenen 1594 schwere Vorwürfe gegen die Amtsführung des Richters. Offenbar meinte man, dass die Mittel für die von ihm meistens zusammen mit Dorothea getätigten zahlreichen Grundstücks- und Finanzgeschäfte nicht nur aus dem väterli­chen Erbe, der Mitgift seiner Frau und den Diensteinkünften flossen. In der Supplikation der Einge­sessenen heißt es, dass der Richter „einen gewaltigen schatz“ an Geld und Gütern an sich gebracht habe, während er dem gemeinen Untersassen des Amtes „al­lerhandt unergliche burderen (Bürden, Lasten), nachtheil und schaden“ auferlege. Zu den sich daran anschließen­den spezifizierten Beschuldigungen gehört auch, dass man ihm vorhält, seine Frau, „die Richtersche“, mische sich häufig in Dienstgeschäfte ein, „denen so sie zugethan, mit vielen behulff werden beifelt“.

1595 setzte sich der Bilsteiner Droste bei dem Lizentiaten Dietrich Bisterfelt in der kurkölni­schen Kanzlei dafür ein, dass der Kurfürst der Richterschen einen ungefähr­deten Aufenthalt in ihrer Heimat erlaube. Unter dem 7. Juni 1595 hielt er in seinem Tagebuch fest: „Ich schreib an d(r) Bisterfelt, das ich uf anhalten des richters und seiner kinder alhie leiden moge, das die richtersche bei meinem gnedigsten hern gleidt erlange.“ Das Wort „gleidt“ dürfte hier wohl das verbriefte Recht meinen, sich ungefährdet im Erzstift aufzuhalten. Angesichts von Cas­pars Stellung und Einfluß ist anzunehmen, dass dem Ersuchen stattgegeben worden ist. Über­haupt pflegte der Droste ein freundschaftliches Verhältnis zur Familie von der Hardt. Als eine ihrer Töchter am 9. August 1595 ihre Verlobung feierte, nahm er mit seinen Söhnen dran teil und war, wie er in seinem Tagebuch schreibt, „daselbst guter ding“. Drei Monate später no­tiert er unter dem 12. Oktober: „Ich erledige einen heirat zwischen des richters son alhie Va­lentin und des richters zu Slipruden (Schliprüthen) tochter.“ Als die beiden sich am 26. November in Fehrenbracht verlobten, folgte auch Caspar der Einladung des Schliprüthener Richters zur Verlobungsfeier, und auch der Hochzeit in Bilstein am 7. Juli 1596 wohnte er „mit froligkeit“ bei. Am 25. Februar desselben Jah­res stand Franz von der Hardt Pate bei der Tochter Margret aus der Verbindung Caspar von Fürstenbergs mit seiner aus Medebach stammenden Haushälterin Enne­ken Busse, mit der er 1598 eine Ehe zur linken Hand schloß. 

Festnahme ihres Mannes 

Die letzten Jahre des 16. Jahrhunderts sollten für die alternde Dorothea wieder eine sorgenrei­che Zeit werden. Die Beschwerde der Amtseingesessenen gegen ihren Mann hatte man in Arnsberg offenbar nicht vergessen; vielleicht aber hatte es auch einen anderen Anlass gegeben, die Korrektheit seiner Dienstgeschäfte zu überprüfen. Im Januar 1597 wurde er in Arnsberg, wohin man ihn vermutlich zitiert hatte, „an­gehalten“, weil er – so Caspar – „von einnemmung der schatzung untreuw begangen haben soll“ (12. Jan.). Der Festgenommene, dem Untreue bei der Erhebung von Steuern vorgeworfen wurde, bat den Drosten, sich beim Kurfürsten für ihn zu ver­wenden. Von Fürstenberg entsprach dieser Bitte und setzte sich in Briefen und am 20. und 21. Januar in zwei Audienzen bei seinem Kurfürsten Ernst von Bayern, der in Arns­berg weilte, für die Freilassung seines Bilsteiner Richters ein. Er erlangte „woll etwas gnadt“, doch ihre kurfürstliche Gnaden verlangten, wie er in seinem Tagebuch vermerkte, 3000 Gold­gulden „zur abtracht“ (als Bußgeld). 

Am 7. Februar erhielt der Droste aus Arnsberg ein Schreiben des Landdrosten, der ihn dar­über informierte, dass Johann Landknecht, der Sohn des Vorgängers von Franz von der Hardt im Bilsteiner Richteramt, den Richterdienst zu Bilstein begehre. Der Droste antwortete, „Jo­hann hab es woll zu bedenken, quod petat (was er an­strebt) etc.“ Als er am 9. Februar auf dem Weg nach Arnsberg war, begegnete ihm Landknecht, von dem er erfuhr, dass er sich zum Richter zu Bilstein hatte beeiden lassen. Damit war Franz von der Hardt seines Amtes ledig. Das Verhältnis zwischen ihm und Johann Landknecht scheint schon vorher nicht das beste gewesen zu sein. So hatte z. B. der Droste im Mai 1595 vergeblich versucht, eine Versöhnung zwi­schen den beiden herbeizuführen. Jetzt waren sie Feinde geworden. 

In Bilstein wütet die Pest 

1598 wütete in den Monaten August bis November in Bilstein die Pest und forderte zahlreiche Tote. Wer es konnte, verließ die Freiheit und die Burg, um sich der Anste­ckungsgefahr zu entziehen. Dorothea scheint sich mit ihren Bilsteiner Familienangehörigen zu Verwandten nach Kirchhundem begeben zu haben, wo auch Caspars Frau mit ihren Kindern bei Jost Be­cker Zuflucht fand. Die Wintermonate von Dezem­ber bis zum 12. März verbrachte auch Cas­par außer wenigen Tagen, an denen er auf Reisen war, in dessen Haus in Kirchhundem. Dabei pflegte er Gesellschaft mit seinem ehemaligen Richter. So vermerkte er unter dem 3. Dezem­ber: „Nachmittags bin ich im neuwen wein mit meinem wirdt und dam alten richter guter dinge.“

Tod des Ehemannes und Tod Dorotheas 

Am 11. November 1599 bemühte sich Caspar erneut um eine Versöhnung zwischen dem alten und dem neuen Richter und damit auch deren Familien, offenbar noch ohne den gewünschten Erfolg. Unter dem 26. Dezember notierte er in seinem Tage­buch: „Der alte richter ligt tödtlich krank.“ Am folgenden Tag kam der Gograf zu At­tendorn nach Bilstein ins von der Hardtsche Haus. In seiner Gegenwart „wird der al­ter richter /: decumbens fere in agone /fast im Todes­kampf krank daniederliegend) :/ mit dem neuwen widerumb versonet“, wie Caspar schreibt. Er fügt hinzu: „Ich besu­che innen (den alten Richter) in der krankheit.“ 

Franz von der Hardt starb fast sechs Wochen später am 5. Februar des nächsten Jahres (1600). Dorothea ist nun Witwe. An der nach 90 Tagen gefeierten Seelen­messe nahm auch der Droste teil, in dessen Tagebüchern ist von Dorothea noch zweimal die Rede. Am 17. Dezember 1601 notiert er, dass Johann von Lintelo, an­sässig auf Haus Valbert bei Oedingen, mit der „alten Richterschen“ wegen einer Zinsabgabe verhandelt hat. Achteinhalb Jahre danach wird Doro­thea von ihm zum letzten Mal in einer Tagebuchnotiz erwähnt, als er am 6. Mai 1609 schreibt, dass ihr Sohn Eberhardt von der Hardt, der Domvikar und Kanonikus an St. Peter in Mainz war, sich nachmittags von der Burg Schnellenberg nach Bilstein begeben habe, weil seine Mutter „todtlich schwach“ sei. Eberhardt blieb noch mehrere Tage über die Mo­natsmitte hin­aus in seiner Heimat, ehe er nach Mainz zurückreiste. In der Zwischen­zeit dürfte Dorothea verstorben sein.

Nachkommen 

Der Familienname von der Hardt lebte in seiner latinisierten Form ab Hardt über Jahrhunderte im Namen der ab Hardt’schen Studienstiftung weiter, die noch bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts Studenten aus dem Kreis Olpe gefördert hat. Ihr Stifter war Dorotheas geistli­cher Sohn Eberhardt von der Hardt, der einen Großteil seines ansehnlichen Vermögens den studierenden Nachkommen der Geschwister seiner Eltern zuwenden wollte. Als er 1615 starb, war der Plan soweit gereift, dass der Mainzer Erzbischof und Kurfürst Johann Schweikard von Cronberg die postume Errichtung der ab Hardt’sche Studienstiftung gestattete. Die Stif­tungsurkunde trägt das Datum vom 20. November 1639.  

Dorotheas Sohn Valentin, der 1596 eine Tochter des Schliprüthener Richters Anton Becker geheiratet hatte, blieb in der Freiheit Bilstein wohnhaft. Nachweislich hatte er 1609 und 1613 das Bürgermeisteramt inne. Sein Sohn Johann, ein Enkel Dorotheas, war von 1641 bis 1651 kurkölnischer Amtsverwalter und Rentmeister in Bilstein und ist 1648 und 1652 als Bürger­meister der Freiheit bezeugt. 1652 stiftete er in seinem Testament für seinen Heimatort eine Vikarie und eine Schule, die in der heutigen Bilsteiner Grundschule fortbesteht.

Dorotheas Lebensgeschichte ist weitaus umfassender und detailreicher überliefert als die der vielen Leidensgefährtinnen und Leidensgefährten im kurkölnischen Amt bilstein, die mit der „Richterschen“ das Schicksal teilten, aus Boshaftigkeit, Gedan­kenlosigkeit oder durch die Aussage Gefolterter des „Lasters der Zauberei“ bezichtigt und vor ein unerbittliches Gericht gestellt zu werden. In der Regel endete der gegen sie geführte Prozeß mit einem Todesurteil. Im kurkölnischen Herzogtum wurden zeit­genössischen Quellen zufolge in den 220 Jahren von 1508 bis 1728 ca. 915 der Zauberei Beschuldigte hingerichtet oder starben in der Haft.

Die tatsächliche Zahl der zum Tode Verurteilten dürfte um einiges höher anzusetzen sein. Nur ganz wenige haben es geschafft, auch im peinlichen Verhör allen Folter­qualen zum Trotz standhaft zu bleiben und ein Zeugnis ihrer Unschuld abzulegen. Eine darunter war die Bilstei­ner Bürgerin Dorothea Becker aus Kirchhundem.